Ausstellung

Frankfurter Küche in der Präsentation „Elementarteile. Aus den Sammlungen“

seit 23. November 2017

© Museum Angewandte Kunst, Foto: Anja Jahn

Sie veränderte das Verständnis von Wohnen und gilt als Vorbild der modernen Einbauküche: die „Frankfurter Küche”, entworfen von Margarete Schütte-Lihotzky. Nach sorgsamen Restaurierungsarbeiten findet nun erstmals ein Exemplar der legendären Küche Eingang in die Dauerausstellung Elementarteile. Aus den Sammlungen des Museum Angewandte Kunst.

2015 erhielt das Museum, das den Blick immer wieder auf die Bedeutung Frankfurts und der Region für die Gestaltungsmoderne wirft, die Möglichkeit, eine komplette, weitgehend unveränderte „Frankfurter Küche“ in der Wittelsbacher Allee, Siedlung Bornheimer Hang, auszubauen. Die ABG Frankfurt Holding, Eigentümerin der Küche, stellte sie als Dauerleihgabe zur Verfügung. Den komplizierten Komplettausbau vor Ort, ebenso wie die darauf folgende, über zweijährige Restaurierungsarbeit übernahm Christian Dressen, Diplom-Restaurator am Museum Angewandte Kunst. Er verzichtete auf großflächige Retuschen und stellte stattdessen die letzte Originallackierung durch Freilegung und Säuberung wieder her. Auch Spuren des Gebrauchs blieben bewusst sichtbar.

In der Ausstellung sind die Küchenelemente dem Originalgrundriss entsprechend zu einem Raum angeordnet. Die Stirnwand der Küche, in der sich in der ursprünglichen Raumsituation ein Fenster zum Garten befindet, bleibt offen und gibt Blicke in den Museumsraum frei, von der Außenseite zeigen sich an dieser Stelle Einblicke in die Konstruktion der Küche. Als Besonderheit sind auch die originalen Boden- und Wandfliesen Teil des Aufbaus. Somit entsteht ein authentischer Gesamteindruck der Gestaltungsleistung Margarete Schütte-Lihotzkys.

Kuratorisch wurde das Projekt von Prof. Dr. Klaus Klemp betreut, eine umfangreiche wissenschaftliche Mitarbeit und Beratung erfolgte durch Dr. Christos-N. Vittoratos. Die Restaurierung wurde durch eine großzügige finanzielle Förderung des Hessischen Museumsverbandes ermöglicht.


Die „Frankfurter Küche“

Die „Frankfurter Küche“ ist ein wichtiges konzeptionelles Element der Gesamtentwurfsplanung des Projekts des „Neuen Frankfurt“. Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000), erste Österreicherin mit abgeschlossenem Architekturstudium, wird im Januar 1926 in die Abteilung Typisierung des Frankfurter Hochbauamts berufen und zur Spezialistin für die Küchen der Neubauten. Von der effizienzorientierten „Frankfurter Küche“ werden mehr als 10.000 Exemplare für fast alle Siedlungsbauten gefertigt. Es gibt rund 30 Varianten, alle nicht größer als sechs bis sieben Quadratmeter. Sie sind eine elementare Voraussetzung für das Raumprogramm der neuen preiswerten Frankfurter Reformwohnungen, in denen das bürgerliche Wohnzimmer die zentrale Rolle spielen soll, nicht die proletarische Wohnküche. Durch ihre geringe Größe soll die Küche als Aufenthaltsraum abgelöst und durch andere Räume innerhalb und außerhalb der Wohnung ersetzt werden.

Grundprinzip der Küche waren kurze Wege und Griffbereiche. Die Breite der Küche war so berechnet, dass man sich von der Schrank- und Spülwand zur Herdwand nur umzudrehen brauchte. Umfangreiche Ordnungssysteme sollten die Küchenarbeit zusätzlich effizienter gestalten. Margarete Schütte-Lihotzky schwebte dabei eine Art Küchenlabor vor, was in den zahlreichen Schütten, verglasten Schränken und einem sitzenden Arbeitsplatz zum Ausdruck gebracht wurde.

Die von einigen Vertretern der Gestaltungsmoderne vorgetragene These, dass das, was funktional sei, auch gleichzeitig schön sei, wies Schütte-Lihotzky nachdrücklich zurück. Sie sah die Küche dezidiert als ästhetische Gestaltungsarbeit an. Wie im gesamten Projekt des „Neuen Frankfurt“ spielte auch bei der Küche die Farbigkeit eine große Rolle. Die ersten Musterküchen waren in Blau gehalten, später kamen weitere gedämpfte Farben, aber auch Weiß hinzu. Der Küchenboden bestand zumeist aus bräunlichen Solnhofener Platten, die in ihrem Naturmuster einen Kontrast zu den monochrom lackierten Schränken darstellten. Als Beschläge dienten die Normbeschläge des Hochbauamtes und für die Schubladen prismatische Holzklötze mit einer unteren Griffmulde, so dass der geometrische, kubische Eindruck der Küche noch verstärkt wird. Im Rahmen der Museumsrecherchen fanden sich Planzeichnungen, die Elemente der „Frankfurter Küche“ für den Ladenbau in den Siedlungen vorgesehen hatten. Die Küchenmodule waren somit auch als Ausstattungen öffentlicher Bereiche gedacht.


Elementarteile. Aus den Sammlungen

Die „Frankfurter Küche” zieht in die Elementarteile ein – mit dieser Präsentation zeigt das Museum Angewandte Kunst eine dauerhafte Ausstellung mit ausgewählten Stücken aus allen Sammlungsgebieten des Museums.

Mehr über die „Elementarteile“ erfahren

© Museum Angewandte Kunst, Foto: Anja Jahn

Der Möbelrestaurator Christian Dressen stellt die Frankfurter Küche vor

Die Frankfurter Küche in „Elementarteile. Aus den Sammlungen“

Christian Dressen stellt Ihnen die einzelnen Elemente unserer ikonischen Frankfurter Küche vor, die 1926 von der Wiener Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky im Rahmen des städtischen Wohnbauprojekts „Das Neue Frankfurt“ entwickelt wurde. Die Küche wurde aus einem Privathaushalt ausgebaut und über einen Zeitraum von 2 Jahren aufwendig restauriert. Seit 2017 ist sie als Dauerleihgabe der AGB Frankfurt Holding in der Dauerausstellung „Elementarteile. Aus den Sammlungen“ im Museum zu sehen.




6 Fragen an den Möbelrestaurator Christian Dressen

In welchem Kontext wurde die Frankfurter Küche entwickelt?

Die sogenannte Frankfurter Küche wurde im Zusammenhang des kommunalen Wohnbrauprojekts „Das neue Frankfurt“ entwickelt. In der Zeit von 1925 bis 1932 entstanden in Frankfurt am Main 22 Siedlungen mit über 12.000 Wohnungen und Reihenhäuser. Für diese Wohnungen wurde auch die Frankfurter Küche entwickelt. Die Wiener Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky (1897-2000) hatte Sie für die Abteilung Typisierung im Städtischen Hochbauamt Frankfurt am Main im Jahr 1926 entworfen. Hierbei lag der Fokus auf der Entwicklung eines im täglichen Umgang praktischen Produktes für die moderne demokratische Bevölkerung.

Was sind die Innovationen der Frankfurter Küche?

Die Frankfurter Küche ist ein grundsätzlich neu gestalteter Küchenraum, in denen modulbasierte Küchenelemente nach den Gesichtspunkten von optimierten Arbeitsabläufen und Laufwegen in der Küche angeordnet wurden. Im Vergleich zur damaligen Wohnküche, in der gekocht und auch gegessen wurde, konnte durch das Auslagern des Esstischs in ein separates Wohnzimmer die Grundrissfläche verringert werden. Der so verkleinerte Küchenraum erforderte die optimale Anordnung der einzelnen Funktionsbereiche wie z.B. Aufbewahren, Vorbereiten, Kochen, Spülen.

Wie kam diese Frankfurter Küche in das Museum Angewandte Kunst?

Die Hinterbliebenen einer 93-jährigen verstorbenen Frau hatten das Museum kontaktiert, um diese abzugeben. Es stellte sich bei einem Vororttermin heraus, dass die 1929 eingebaute Küche über den gesamten Nutzungszeitraum von ein und derselben Familie genutzt wurde. Das Museum Angewandte Kunst konnte diese Küche aus einer 65 qm großen 3-Zimmer Wohnung bergen. Mit Genehmigung der Wohnungsbaugenossenschaft ABG Frankfurt Holding, die die Küche freundlicherweise dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt, war es möglich in einem Zeitraum von acht Tagen die Küche auszubauen. Neben den üblicherweise ausgebauten Möbelmodulen konnten sämtliche angrenzende originale Architekturelemente gerettet werden, d. h. Boden- und Wandfliesen, Türblätter und Zargen sowie die Heizung. Auch die ebenfalls erwähnten Möbelmodule aus dem Flur und Badezimmer konnten so geborgen werden.

Was ist das Besondere an der Küche im Museum Angewandte Kunst?

Die Frankfurter Küche im Museum Angewandte Kunst weist einen außergewöhnlich guten Erhaltungszustand auf. Dies zeigt sich an den vollständig erhaltenen Küchenmodulen, die üblicherweise als einziges aus einer Frankfurter Küche ausgebaut werden. Diese Küche ist ein echter Glücksfall für das Museum gewesen, da diese von einer einzigen Familie seit dem Einbau benutzt wurde und nicht, wie bei einem Mieterwechsel üblich, ausgetauscht wurde. Die weitere Besonderheit ist, dass die Küche während ihrer Nutzung sehr gut gepflegt wurde, sodass der üblicherweise verrottete Spülenunterschrank noch komplett erhalten ist.

Welche Restaurierungsmaßnahmen waren notwendig?

Vor der Restaurierung kam die Küche in unseren Quarantäneraum, um sicherzustellen, dass sie nicht von Schädlingen befallen ist. Nach der Überführung in die Möbelrestaurierung wurden alle Bestandteile der Küche wissenschaftlich untersucht. Durch diese naturwissenschaftlich-analytische Bearbeitung des umfangreichen Objekts konnten die Materialzusammensetzung und die Echtheit der Bauteile bestimmt werden. Dies ermöglicht eine Bewertung anderer Frankfurter Küchen in Hinblick auf die Echtheitsbestimmung. Zudem wurden alle übrigen renovierungsbedingten Veränderungen entfernt, um die ursprünglich beabsichtigte Farbigkeit und Materialität wiederherzustellen. Der Wiederaufbau der Küche und ihrer großen Materialvielfalt konnte durch die Entwicklung neuartiger Restaurierungsverfahren so umgesetzt werden, dass ein späterer schadfreier Ausbau gewährleistet ist. Die Restaurierung der Frankfurter Küche dauerte 2 Jahre an. Seit dem 22.11.2017 hat sie nun als Rauminstallation ihren angemessenen Platz in der Dauerausstellung Elementarteile. Aus den Sammlungen gefunden.

Was macht diese Küche heute noch aktuell?

Unter dem Begriff der Effizienz sieht man anhand der Küche, wie Raum eingesetzt wurde, um Zeit zu sparen. So hielt die Effizienz auch in den früher so entschleunigten und auf das Verweilen ausgelegten Wohnküchen Einzug und trägt bis heute zur Optimierung unseres Alltages bei.
Es gab sie in mindestens dreißig verschiedenen Ausführungen und konnte so auf sehr unterschiedlich große Küchengrundrisse angepasst werden. Es gab also nicht die eine Frankfurter Küche, sondern sehr viele Varianten. Die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky ist sozusagen als Mutter aller Einbauküchen bekannt.