Ausstellungen
31. Januar – 27. April 2025
Jahrhunderte alte verwitterte Holzskulpturen, eine gebrochene Teeschale, mit Goldlack repariert, Hokusais Große Welle als archetypischer Ausdruck von Schönheit und tödlicher Gefahr, der Wind als Zeichner – all dies sind Ausdrucksformen einer Welt im Fluss, die diese Ausstellung vorstellt. Kostbare Sammlungsbestände des Museums, ergänzt durch ausgewählte Positionen der Gegenwartskunst, beschreiben Japan als ein Land, das eine besondere ästhetische Sprache des Ephemeren hervorgebracht hat. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein jähes Ende nehmen kann, blüht eine Kunst, die sich der Fragilität und Kostbarkeit unserer Existenz stets bewusst ist.
Von Matsuo Bashō (1644-94), einem der größten japanischen Dichter, stammt die Maxime fueki ryūkō 不易流行, die auch als dialektische Poetik bezeichnet wurde. Darin geht es ihm um das Spannungsfeld zwischen „Unveränderlichkeit“ (fueki) und „sich stetig wandelnden Moden“ (ryūkō) als Voraussetzung für dichterische Kreativität. Übersetzt wird die Formel auch als „Ruhe in der Unbeständigkeit“ – es geht also um Gelassenheit in einer Welt des ständigen Wandels.
Bashō verbrachte wichtige Teile seines Lebens als Wanderer – der haiku-Zyklus Oku no hosomichi („Auf schmalen Pfaden ins Hinterland“) ist eines seiner bedeutendsten Werke. Wandern und (Welt-)Flucht sind zwei Aspekte desselben Lebensentwurfs, und für die Kunst und Kultur Japans ist er von besonderer Bedeutung. Zweifellos ist diese rastlose-dynamische und dabei letztlich tiefenentspannte Lebensart auch Ausdruck eines Grundempfindens der Flüchtigkeit der irdischen Existenz. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein Ende nehmen, zumindest vollkommen durcheinandergewirbelt werden kann, findet diese Grunderfahrung in vielfältiger Weise auch Ausdruck in unterschiedlichen Kunstäußerungen.
Das Bewusstsein für diese prekären Lebensumstände sorgt in Japan einerseits für eine gewisse Melancholie als Grundton – mono no aware 物の哀れ ist der nur schwer übersetzbare Begriff für diese Gefühlslage. Wörtlich bedeutet er „das Herzzerreißende / das Pathos / die Trauer der Dinge“; gemeint ist damit eine spezifische Empfindsamkeit für das Ephemere, für die Vergänglichkeit der Welt. Andererseits wirkt die japanische Kunst auch häufig wie eine unbeschwerte „Feier der Vergänglichkeit“, ein geradezu sorgloses In-den-Tag-Leben, gewissermaßen eine asiatische Variante der altgriechischen bzw. römischen Konzepte panta rhei („alles fließt“) und carpe diem („nutze den Tag/genieße den Augenblick“).
Die Ausstellung Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst führt vor Augen, wie die Japanische Kunst die Wandlungen und die Unwägbarkeiten des Daseins vielfältig ästhetisch durchdringt und kommentiert. Die Schau spannt den Bogen von zwei verwitterten Holzskulpturen des 14. Jahrhunderts, bewegtem Leben in Malerei und Holzschnitt des alten Japan über Wasserdarstellungen unterschiedlicher Art und den Verfall „feiernden“ Teekeramiken und Lackarbeiten bis hin zu markanten Positionen der japanischen Gegenwartskunst. Vorgestellt werden auch Bilder, die das menschliche Leben mit und auf dem Wasser, Kirschblütenfeste und höfische Schmetterlingstänze zeigen. Mit Rikuo Ueda, Hide Nasu, Shiriagari Kotobuki, Peter Granser und Mari Kashiwagi kommen überraschende Positionen der Kunst, Teekultur und Lyrik der Gegenwart zu Wort, die auf unterschiedliche Weise jenes Lebensgefühl des panta rhei reflektieren, das Japan von jeher geprägt hat.
Kurator: Dr. Stephan von der Schulenburg
Für Hide Nasu (*1950) gibt es kein fertiges Kunstwerk. Das Werk lebt vielmehr Tag für Tag weiter, auch lange nachdem es das Atelier verlassen hat. Hide Nasus Werk ist auch ein Spiel mit unserer Wahrnehmung, denn seine weitgehend monochrome Malerei, die auch in der Ausstellung zu sehen ist, ist nicht nur ein stilles Tafelbild an der Wand, sondern wird begleitet von ihrem Spiegelbild – etwa in einem quadratischen, schwarzen, mit Wasser gefüllten Becken am Boden, in dem die sich mit unserer eigenen Bewegung stets wandelnde Reflexion der Bildtafel an der Wand und ihrer Umgebung in Erscheinung tritt.
Das Video In die Tiefe 間 zeigt den Künstler Hide Nasu bei der Arbeit und eröffnet ein tieferes Verständnis für seine Kunst.
Regie: Gregor Alexander Heussen
Bilder: Hide Nasu
Kamera: Heiko Giersberg
Ton: Pia Harm
Schnitt: Wolfgang Baumann
Kalender
Teezeremonien für max. zwei Personen mit Peter Granser (ITO-Projektraum Stuttgart).
Die Teezeremonien werden zu folgenden Uhrzeiten angeboten:
11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr und 17 Uhr.
Dauer: 45 Minuten, Preis: 20 Euro.
Anmeldung bitte per Email an: sabine.huth@stadt-frankfurt.de.
Ohne Anmeldung. Im Eintrittspreis inbegriffen.
Ohne Anmeldung. Im Eintrittspreis inbegriffen.
Intuitive Ausdrucksformen mit Pinsel und Tusche auf Papier, Workshop mit Shiriagari Kotobuki (Tokyo).
14.30 Uhr: Einführung und Ausstellungsrundgang mit Shiriagari Kotobuki
15.30 Uhr: sumi-e – Japanische Tuschemalerei mit Shiriagari Kotobuki
Workshop für Erwachsene. Kosten: 20 Euro inkl. Museumseintritt.
17.30 Uhr: Sake-Empfang
Anmeldung unter 069 21 2 38522 oder create.angewandte-kunst@stadt-frankfurt.de.
Ohne Anmeldung. Im Eintrittspreis inbegriffen.