Ausstellungen

Die Welt im Fluss Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst

31. Januar – 27. April 2025

Pressekonferenz: Donnerstag, 30. Januar 2025, 10.30 Uhr
Eröffnung: Donnerstag, 30. Januar 2025, 19 Uhr

Die Schlacht der toten Seelen (Sagamigawa), Nara ehon, 2 Bände, vollständig, wahrscheinlich Kanbun-Ära (1661-1673), Foto: Rainer Drexel © Museum Angewandte Kunst

Jahrhunderte alte verwitterte Holzskulpturen, eine gebrochene Teeschale, mit Goldlack repariert, Hokusais Große Welle als archetypischer Ausdruck von Schönheit und tödlicher Gefahr, der Wind als Zeichner – all dies sind Ausdrucksformen einer Welt im Fluss, die diese Ausstellung vorstellt. Kostbare Sammlungsbestände des Museums, ergänzt durch ausgewählte Positionen der Gegenwartskunst, beschreiben Japan als ein Land, das eine besondere ästhetische Sprache des Ephemeren hervorgebracht hat. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein jähes Ende nehmen kann, blüht eine Kunst, die sich der Fragilität und Kostbarkeit unserer Existenz stets bewusst ist.

Von Matsuo Bashō (1644-94), einem der größten japanischen Dichter, stammt die Maxime fueki ryūkō 不易流行, die auch als dialektische Poetik bezeichnet wurde. Darin geht es ihm um das Spannungsfeld zwischen „Unveränderlichkeit“ (fueki) und „sich stetig wandelnden Moden“ (ryūkō) als Voraussetzung für dichterische Kreativität. Übersetzt wird die Formel auch als „Ruhe in der Unbeständigkeit“ – es geht also um Gelassenheit in einer Welt des ständigen Wandels.

Bashō verbrachte wichtige Teile seines Lebens als Wanderer – der haiku-Zyklus Oku no hosomichi („Auf schmalen Pfaden ins Hinterland“) ist eines seiner bedeutendsten Werke. Wandern und (Welt-)Flucht sind zwei Aspekte desselben Lebensentwurfs, und für die Kunst und Kultur Japans ist er von besonderer Bedeutung. Zweifellos ist diese rastlose-dynamische und dabei letztlich tiefenentspannte Lebensart auch Ausdruck eines Grundempfindens der Flüchtigkeit der irdischen Existenz. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein Ende nehmen, zumindest vollkommen durcheinandergewirbelt werden kann, findet diese Grunderfahrung in vielfältiger Weise auch Ausdruck in unterschiedlichen Kunstäußerungen.

Das Bewusstsein für diese prekären Lebensumstände sorgt in Japan einerseits für eine gewisse Melancholie als Grundton – mono no aware 物の哀れ ist der nur schwer übersetzbare Begriff für diese Gefühlslage. Wörtlich bedeutet er „das Herzzerreißende / das Pathos / die Trauer der Dinge“; gemeint ist damit eine spezifische Empfindsamkeit für das Ephemere, für die Vergänglichkeit der Welt. Andererseits wirkt die japanische Kunst auch häufig wie eine unbeschwerte „Feier der Vergänglichkeit“, ein geradezu sorgloses In-den-Tag-Leben, gewissermaßen eine asiatische Variante der altgriechischen bzw. römischen Konzepte panta rhei („alles fließt“) und carpe diem („nutze den Tag/genieße den Augenblick“).

Rikuo Ueda, Wind-Mal-Apparat “House in the Sky”, Sennan City, Ôsaka, 2007, Foto: © Rikuo Ueda
Ein Paar „Löwenhunde“ (komainu), Japan, Kamakura-Zeit (1185–1333), Foto: Marcus Müller © Japan Art/Galerie Friedrich Müller, Frankfurt/M.

Die Ausstellung Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst führt vor Augen, wie die Japanische Kunst die Wandlungen und die Unwägbarkeiten des Daseins vielfältig ästhetisch durchdringt und kommentiert. Die Schau spannt den Bogen von zwei verwitterten Holzskulpturen des 14. Jahrhunderts, bewegtem Leben in Malerei und Holzschnitt des alten Japan über Wasserdarstellungen unterschiedlicher Art und den Verfall „feiernden“ Teekeramiken und Lackarbeiten bis hin zu markanten Positionen der japanischen Gegenwartskunst. Vorgestellt werden auch Bilder, die das menschliche Leben mit und auf dem Wasser, Kirschblütenfeste und höfische Schmetterlingstänze zeigen. Mit Ueda Rikuo, Hide Nasu, Shiriagari Kotobuki, Peter Granser und Mari Kashiwagi kommen überraschende Positionen der Kunst, Teekultur und Lyrik der Gegenwart zu Wort, die auf unterschiedliche Weise jenes Lebensgefühl des panta rhei reflektieren, das Japan von jeher geprägt hat.

Kurator: Dr. Stephan von der Schulenburg