Museum
Laufzeit: 1. August 2016 bis 31. August 2019
Zwischen August 2016 und August 2019 prüfte das Museum Angewandte Kunst seine kunsthandwerklichen Sammlungsbestände auf unrechtmäßig angeeignete Objekte aus jüdischem Besitz zur Zeit des Nationalsozialismus. Das Projekt wurde vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) in Magdeburg gefördert und sah insbesondere vor, die Recherche zur Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschild weiterzuführen, die auf Grundlage eines vorausgegangenen Forschungsprojekts (2009) begonnen wurde. Die jüngsten Nachforschungen betrafen eine detaillierte Aktenaufarbeitung, um Objekte, die sich noch im Bestand des Museums befinden, zu identifizieren und die Umstände ihres Verbleibs auszuwerten. Erste Forschungsergebnisse hinsichtlich der Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschild wurden 2019 u.a. in einer Publikation der Schriftenreihe der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e. V. veröffentlicht.
In den Inventarlisten des Museum Angewandte Kunst (ehemals Museum für Kunsthandwerk) aus den Jahren 1933 bis 1945 und den Nachkriegsjahren wurden in der Projektlaufzeit über 2.000 Objekte mit ungeklärten, lückenhaften oder belasteten Provenienzen aufgefunden, überwiegend aus den europäischen und asiatischen Sammlungsbereichen.
Das Forschungsinteresse richtete sich auf all jene Kunstgegenstände, die ab 1933 bis in die Nachkriegsjahre bei Auktionshäusern ersteigert oder bei deutschen Kunsthandlungen gekauft wurden, oder als Schenkungen ans Haus kamen. Die Inventarlisten verweisen auf Erwerbungen bei einer Reihe von Kunsthändlern in Frankfurt am Main, etwa Walter Carl, Joseph Fach, Walter Hauth, Hugo Helbing, Wilhelm Henrich und Carl Müller-Ruzika. Auch überregionale Händler, wie die Berliner Auktionshäuser Hans W. Lange und Rudolph Lepke, die Münchener Händler Julius Böhler, Siegfried Lämmle und Adolf Weinmüller und die „Galerie für Alte Deutsche Kunst“ in Bremen sind verzeichnet.
Aus zwei Auktionen bei Hugo Helbing (1934 und 1935) stammen beispielsweise 17 Gegenstände aus dem einstigen Besitz von Ottmar Strauss (1878-1941), einem wohlhabenden Unternehmer aus Köln, der eine umfangreiche und wertvolle Sammlung von Antiquitäten und Kunstgegenständen besaß. Aufgrund seiner rassischen Verfolgung als Jude während der Zeit des Nationalsozialismus emigrierte er 1936 aus Deutschland. In Vorbereitung seiner Auswanderung und zur Begleichung der dafür erforderlichen Reichsfluchtsteuer und sonstiger diskriminierender Abgaben sah er sich gezwungen, seine Kunstsammlung zu verkaufen. Im Rahmen ‚fairer und gerechter Lösungen‘ gemäß den Washingtoner Prinzipien (1998) stand das Museum Angewandte Kunst im Laufe der Projektlaufzeit im Dialog mit den rechtmäßigen Erben von Ottmar Strauss.
Am 1. ‚Tag der Provenienzforschung‘ (10. April 2019) beteiligte sich das Museum Angewandte Kunst mit dem Werkstattgespräch „Der ‚Sitten-Fuchs‘ und sein Drache“. – Dank der wissenschaftlichen Kooperation mit einem weiteren vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt („Sammlung Eduard und Margarete Fuchs: Rekonstruktion der geraubten Kunstwerke der Sammlung“) konnten zwei Stücke in Museumsbesitz der ehemaligen Sammlung des im Nationalsozialismus politisch-verfolgten Sozialisten und Erfolgsautors Eduard Fuchs (1870-1940) zugeschrieben werden, die das Auktionshaus Rudolph Lepke’s 1937 versteigerte.
Zudem finden sich in den Sammlungsbeständen heute noch zahlreiche Gegenstände, die laut Inventarbucheinträgen als „Übernahmen“, aus „Frankfurter Altbesitz“, vom „Finanzamt Frankfurt“, oder vom „Pfandhaus Frankfurt“ für das Museum erworben, oder die „von der Stadt überwiesen“ wurden. Darunter fallen auch über 100 Silberobjekte aus ehemals jüdischem Besitz. Sie wurden 1939 im Zuge der Zwangsabgabe von Edelmetallen für Juden durch die Städtische Darlehensanstalt in Frankfurt erworben, mit einer „Ju.“-Nummer gekennzeichnet und nach ihrem Erwerb durch die Stadt vom Museum inventarisiert. Als Ergebnis der Provenienzforschung veröffentlichte das Museum die Silbergegenstände mit dieser Provenienz als Fundmeldungen in der Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste.
Die Ausstellung Geraubt. Gesammelt. Getäuscht. Die Sammlung Pinkus/Ehrlich und das Museum Angewandte Kunst im Museum Angewandte Kunst (7. Juni bis 9. Dezember 2018) zeigte als NS-Raubgut identifizierte Silbergegenstände aus der Sammlung Joseph Pinkus/Hedwig Ehrlich und thematisierte ihre Geschichte, die 2019 auch im Rahmen einer Dokumentation in Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt, Jüdischen Museum und dem Weltkulturen Museum veröffentlicht wurde. In Gedenken an Hedwig Ehrlich (1864-1948) initiierte das Museum Angewandte Kunst am 17. Mai 2018 die Verlegung eines Stolpersteins vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Frankfurter Westendstraße 62.
Wie die Provenienzforschung ergab, befinden sich in den Beständen des Museums heute noch über 60 Objekte, die der damalige Direktor Walter Mannowsky (1938-1948) in Paris unter deutscher Besatzung (1940-44) bei unterschiedlichen Kunsthandlungen kaufte oder eintauschte, etwa bei Buvelot, Chalom, Garabet-Kevorkian, Kalebdjian, Michon, Perret-Vibert, Recher und Tierard. In den Nachkriegsjahren gab das Museum diese sogenannten Auslandsankäufe offensichtlich nicht über den Central Collecting Point (CCP) in Wiesbaden, einer Sammelstelle für Kunst unter amerikanischer Militärregierung, an ihre früheren Besitzer in Frankreich zurück. Diese Objekte mit lückenhafter Provenienz veröffentlichte das Museum in der Lost Art-Datenbank als Fundmeldungen.