Museum
Projektlaufzeit: November 2021 bis November 2023
Porzellan, Bronzen, Bildrollen – tausende von Objekten aus China in deutschen Museumssammlungen stammen aus Plünderungen, die um 1900 im Kontext des sogenannten „Boxerkrieges“ stattfanden. Ihre problematische Herkunft ist in den wenigsten Fällen bekannt, die unterschiedlichen Wege, auf denen sie in deutsche Sammlungen gelangten, sind nur ansatzweise erforscht. Erstmals arbeiten in einem nun gestarteten Forschungsprojekt mit dem Titel Spuren des „Boxerkrieges“ in deutschen Museumssammlungen sieben deutsche Museen unter Federführung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin zusammen, um ihre Bestände auf Plünderware aus dem „Boxerkrieg“ zu prüfen und bei entsprechenden Befunden deren Provenienzen im Verbund zu erforschen.
In der westlichen Literatur als „Boxer“ bezeichnete aufständische Gruppen von Kampfsportlern waren Ende des 19. Jahrhunderts treibende Kraft einer antiimperialistischen Bewegung in Nordchina, die den Namen Yìhétuán Yùndòng (義和團運動, Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie) trug. Die Aufständischen griffen zunächst christliche Missionar:innen und ihre chinesischen Anhänger:innen, bald auch ausländische Unternehmer:innen und Diplomat:innen an. Im Mai 1900 breiteten sich die gewalttätigen Ausschreitungen bis nach Peking aus und gipfelten im Juni in der Belagerung der ausländischen Gesandtschaften. Eine Acht-Nationen-Allianz, zu der auch das Deutsche Reich gehörte, entsandte Truppen nach China. Während des sogenannten „Boxerkrieges“ von 1900–1901 wurden nicht nur die Aufstände gewaltvoll von diesen Truppen niedergeschlagen, Peking wurde zudem ausgeraubt und gebrandschatzt. Tausende von Kunstwerken und anderen Artefakten aus den Plünderungen gelangten direkt oder auch indirekt, zum Beispiel über den Kunsthandel, in deutsche Museumssammlungen, wo sie bis heute aufbewahrt und ausgestellt werden.
Aber nicht nur deutsche Museen sind über die Provenienz ihrer Sammlungsbestände zum Teil eng mit dem „Boxerkrieg“ verbunden. In vielen Familienhistorien finden sich Spuren der deutschen Kolonialgeschichte in China: Aus Deutschland wurden ab dem Sommer 1900 mehr als 20.000 Truppenmitglieder zur Niederschlagung des Aufstandes nach China geschickt. Diese Militärs waren einer der Hauptakteure bei den Plünderungen in Peking. Noch heute sind Objekte aus dem Kontext des „Boxerkrieges“ – meist als solche unerkannt – Bestandteil zahlreicher privater Sammlungen in Deutschland.
Das hier vorgestellte Verbundprojekt von sieben deutschen Museen hat nicht nur die Aufarbeitung der eigenen Sammlungsbestände und die Sensibilisierung der Verantwortung öffentlicher Institutionen zu diesem Thema zum Ziel, es möchte auch einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über die privaten Verflechtungen mit Deutschlands Kolonialgeschichte in China anregen. Die Forscher:innen wollen zudem nicht nur die Objekte aus dem Kontext des „Boxerkrieges“ in den Sammlungen der beteiligten Museen identifizieren, sie werden auch einen methodologischen Leitfaden herausgeben, der nationalen und internationalen Museen eine umfassende Aufarbeitung ihrer Sammlungsbestände aus dem Kontext ermöglicht. Darüber hinaus sollen auch Fragen nach dem zukünftigen Umgang mit den Objekten diskutiert werden.
Spuren des „Boxerkrieges“ in deutschen Museumssammlungen wird von einem Projektverbund von sieben deutschen Museen unter Leitung des Zentralarchivs, das die Provenienzforschung der Staatlichen Museen zu Berlin koordiniert und leitet, in enger Kooperation mit chinesischen Wissenschaftler*innen der Shanghai University durchgeführt. Verbundpartner auf deutscher Seite sind das Museum für Asiatische Kunst und das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin, das Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt und das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, das GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig, das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main sowie das Museum Fünf Kontinente in München.
Das Projekt wird von November 2021 bis November 2023 durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gefördert und startet auf deutscher Seite mit einem zehnköpfigen Team in Berlin, Hamburg, Leipzig, Frankfurt am Main und München.
Weiterführendes Informationsmaterial sowie hochauflösende Pressefotos stehen Ihnen im Pressebereich der Website der Staatlichen Museen zu Berlin zur Verfügung.
Call for Paper
Workshop im Rahmen des Verbundprojekts Spuren des „Boxerkrieges“ in deutschen Museumssammlungen – eine gemeinsame Annäherung
Berlin, 2. – 3. März 2023
Vom 2. – 3. März 2023 lädt das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderte Verbundprojekt „Spuren des ‚Boxerkrieges‘ in deutschen Museumssammlungen – eine gemeinsame Annäherung“ zu einem öffentlichen Workshop nach Berlin ein. Der Workshop soll anhand konkreter Fallbeispiele aus Museumssammlungen erstmals einen Überblick über das Thema Raubgut aus dem sogenannten „Boxerkrieg“ geben.
Im Workshop sollen gemeinsam Methoden zum Erforschen der Provenienz derartiger Bestände diskutiert und besondere Herausforderungen dieser Forschung benannt werden. Es sollen Archivbestände zusammengetragen und die Frage nach der Zukunft der Objekte besprochen werden. Die Ergebnisse aus dem Workshop werden in einen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgegenständen aus dem Boxerkontext einfließen, der im Rahmen des Verbundprojekts entsteht.
Alle Informationen zur Einreichung finden Sie in diesem Dokument.